Donnerstag, 15. März 2018

Die Gottesbeweise

Für einen durch seine Endlichkeit begrenzten Menschen wird es wohl nie möglich sein die Existenz Gottes zu erfassen, geschweige denn endgültig und unwiderlegbar zu beweisen. Dennoch gibt es eine ganze Reihe von Argumenten, die den Gottesleugnern das Leben schwer machen.
Bereits in der Antike wurden zahlreiche Versuche unternommen die Existenz Gottes zu belegen. Aristoteles postulierte eine erste Ursache, die selbst unverursacht sei, und nannte sie „das erste unbewegte Bewegende“ oder den „unbewegten Beweger“. Aristoteles argumentiert für einen göttlichen Beweger, indem er feststellt, dass, wenn alle Substanzen vergänglich wären, alles vergänglich sein müsste, die Zeit und die Veränderung selbst jedoch notwendig unvergänglich sind (Phys. VIII 1, 251a8-252b6; Met. XII 6, 1071b6-10), wie im Internet-Lexikon Wikipedia nachzulesen ist. Aristoteles’ zufolge ist die einzige Veränderung, die ewig existieren kann, die Kreisbewegung (Phys. VIII 8–10; Met. XII 6,1071b11). So bewegt der unbewegte Beweger „wie ein Geliebtes“, nämlich als Ziel (Met. XII 7, 1072b3), denn das Begehrte, das Gedachte und insbesondere das Geliebte kann bewegen, ohne bewegt zu sein (Met. XII 7, 1072a26). Da er immaterielle Vernunft (nous) ist und seine Tätigkeit im Denken des besten Gegenstandes besteht, denkt er sich selbst: Das „Denken des Denkens“ (noêsis noêseôs) (Met. XII 9, 1074b34f.). Da nur Lebendiges denken kann, muss er zudem lebendig sein. Den unbewegten Beweger identifiziert Aristoteles mit Gott (Met. XII 7, 1072b23ff.).
Anaximander sah die Frage nach dem Wesen des Ursprungs allen Seins und der Arché (αρχή), dem Urstoff aus dem das Sein entstanden ist, als das grundlegende Problem. Über ihn ist bei Wikipedia nachzulesen: Ursprung oder Anfang und Element sei das Unbeschränkte, das Unbegrenzte; er bestimmte es nicht als Luft oder Wasser oder etwas Ähnliches, sondern als eine gewisse Natur. Diese sei immerwährend und bereit, alle Dinge zu lenken. Das Ápeiron (άπειρον, „das Unendliche“) ist für Anaximander das Allumfassende und schließt alles in sich ein. Er bezeichnete es als das Prinzip der seienden Dinge, und aus diesem seien die Welten und die darin befindliche Ordnung entstanden. Denn aus diesem entstehe alles und zu diesem vergehe alles, weshalb auch unbeschränkt viele Welten produziert würden und wieder vergingen zu jenem, aus dem sie entstünden. Er sprach von Zeit, weil das Entstehen, Dasein und Vergehen genau abgegrenzt seien. Er wies also das Unbeschränkte sowohl als Ursprung wie auch als Element der seienden Dinge aus. Die Bewegung sei ewig, und eben deshalb entstünden bei dieser Bewegung die Welten. Entstehen und Vergehen würden nur dann nicht nachlassen, wenn dasjenige, von dem das Entstehende abgetrennt wird, unbeschränkt sei. Der einzig erhaltene Satz des Anaximanders lautet (gemäß Hermann Diels & Walther Kranz, Hrsg. und Übers.: Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und deutsch, Bd. 1. Berlin 1922, 4. Auflage):
 
„Anfang und Ursprung der seienden Dinge ist das Ápeiron [das Unbegrenzte]. Woraus aber das Werden ist den seienden Dingen, in das hinein geschieht auch ihr Vergehen nach der Schuldigkeit; denn sie zahlen einander gerechte Strafe und Buße für ihre Ungerechtigkeit nach der Zeit Anordnung.“
 
Dieser Denkspruch gilt als der „erste Satz“ der Philosophie. Der gesamte Satz scheint sich auf die Notwendigkeit des Entstehens (des Werdens) und des Vergehens (des Verfalls) zu beziehen. Er muss sich auf die ununterbrochene Veränderung von einander entgegengestellten Formen oder Kräften beziehen, der Grundgedanke muss also hier der Gedanke vom beständigen Austausch zwischen entgegengesetzten Substanzen sein. In der ganzen Naturwelt sind Bewegung und Veränderung eine Tatsache. Diese fasst Anaximander als Notwendigkeit auf, der alles Seiende unterliege. Was im Kosmos existiere, sei dem Wechsel und der Veränderung unterworfen; das eine nehme den Platz des anderen ein, dem Leben folge der Tod und umgekehrt. (Wikipedia)
Die führende Geistesgröße des Mittelalters, die sich den Gottesbeweisen verschrieben hat, war der Scholastiker Thomas von Aquin (1225-1274). Grundlage der Theologie war für ihn die Philosophie. Seine fünf Gottesbeweise – „via quinque“ - sind auch heute noch gültig. Im einzelnen handelt es sich um folgende Punkte:
Der Bewegungsbeweis beruht auf der Beobachtung, dass es überall in der Welt Bewegung gibt. Bewegung entsteht aber nur, wenn es auch etwas Bewegendes gibt, also einen Beweger. Weil aber die Reihe der Beweger nicht ins Unendliche zurückreichen kann, ohne dass es irgendwann einen Anfang der Bewegung gegeben hätte, muss es einen ersten Beweger geben. Denn nichts kann zugleich Ursache seiner eigenen Wirkung sein. Dieser Beweger – selbst unbewegt – wäre dann Gott.
Der Kausalitätsbeweis geht davon aus, dass jede Wirkung eine Ursache hat. Nichts kann jedoch die Ursache seiner selbst sein, weil es sich dann ja selbst vorausgehen müsste. Ebensowenig kann die Reihe der Ursachen ins Unendliche gehen. Folglich muss es eine erste, selbst verursachte Ursache geben, und zwar Gott.
Der Kontingenzbeweis beruht darauf, dass es Dinge gibt, die notwendig sind, entweder aus sich selbst heraus oder durch ein anderes Ding, während es in der Immanenz nichts gibt, was sich selbst erschaffen kann, sondern seine Existenz einem anderen Wesen verdankt. Außerdem ist das Immanente entbehrlich, d.h. es existiert nicht notwendig, sondern eher zufällig oder kontingent, im Gegensatz zum Notwendigen. Aber auch hier kann die Reihe der notwendigen Dinge nicht ins Unendliche gehen, sondern es muss ein erstes Notwendiges geben, nämlich Gott.
Der Stufenbeweis geht davon aus, dass es überall in der Welt das Gute in verschiedenen Vollkommenheitsgraden gibt. Wenn man den Rückgriff auf eine unendliche Reihe immanenter Wirkursachen ausschließt, muss die oberste Stufe der Güte und Vollkommenheit ein Wesen sein, das sein Gut- und Vollendetsein niemand anderem verdankt, sondern diese Eigenschaften in unendlichem Maße in sich selber trägt. Das wäre dann Gott.
Im Finalitätsbeweis ist der ganze Kosmos geordnet, zweckmäßig konstruiert und zielgerichtet. Vernunftlose Dinge bedürfen, um ihr Ziel zu erreichen, eines Erkennenden, der das Ziel setzt (z.B. bedarf der Pfeil des Schützen). Die zielgerichtete Einrichtung der Welt bedarf daher Gottes als des obersten Lenkers, der die Zwecke setzt und damit die Welt bewegt.
Der ontologische Gottesbeweis des Anselm von Canterbury (1033-1109) besagt im Wesentlichen, dass es nichts größeres gibt was gedacht werden könne („quo nihil maius cogitari potest“), wobei ein Wesen das nur gedacht würde nicht die Größe eines Wesens erreicht, das in der Wirklichkeit existiert. Schon Thomas von Aquin hat diesen Ansatz kritisiert, indem er sagt, dass Gott größer ist als alles was gedacht werden kann. Wenn auch der ontologische Gottesbeweis unter Fachleuten umstritten ist, stellt er einen wichtigen Meilenstein dar. Der neuzeitliche Denker René Descartes (1596-1650), dessen Thesen gemeinhin dem Bereich der ontologischen Gottesbeweise zugeordnet werden, hat mit seiner Erkenntnis „cogito ergo sum“ („ich denke, also bin ich“) und der daraus folgenden Erkenntnis, dass ihn, wenn er existiert, jemand geschaffen haben muss, ein weiteres wichtiges Indiz auf dem Weg zur Erkenntnis des Weltenbewegers geliefert.
Im Jahre 1440 formulierte ein anderer großer Denker des Mittelalters, Nikolaus von Kues, in seiner Studie „Die wissende Unwissenheit“ („De docta ignorantia“) ein Theorem, das als Schlüsselaussage seiner Gotteslehre gilt - die „coincidentia oppositorum“, den Zusammenfall der Gegensätze in Gott:
 
,,Das in Absolutheit Größte ist ganz Wirklichkeit, da es alles ist, was es sein kann. Da es eben alles ist, was es sein kann, kann es nicht größer und, aus demselben Grund, auch nicht kleiner werden. Das Kleinste aber ist jenes, über das hinaus nichts kleiner sein kann und da das Größte von derselben Art ist, ist es klar, daß das Kleinste mit dem Größten koinzidiert." (Nikolaus von Kues, Philosophisch-Theologische Schriften, Wien 1964, S. 205)
 
Der katholische Theologe und Philosoph Robert Spaemann nennt den Glauben an Gott das „unsterbliche Gerücht“. Mit seiner Argumentation zur Gottesfrage schließt Spaemann an Nietzsche an, der einmal schrieb: „Ich fürchte, wir werden Gott nicht los, weil wir noch an die Grammatik glauben“. Indem wir Strukturen (wie z. B. der Grammatik) folgen, die einen übergreifenden Sinnzusammenhang behaupten, begreifen wir die Welt als nach sinnvollen Prinzipien aufgebaut. Dies wiederum setze voraus, dass wir Menschen die Wahrheit und in dieser „die Spur Gottes in der Welt“ erkennen können, wobei für ihn der Mensch selbst die Spur Gottes in der Welt ist. Diese Spur Gottes existiert seiner Meinung nach jedoch nur, wenn der Mensch dies auch will und sich selbst nicht nur als „Maschine zur Verbreitung unserer Gene“ mit einer Vernunft als evolutionäres Anpassungsprodukt sieht. Wobei Spaemann jedoch davon ausgeht, dass Gott unabhängig davon existiert, ob der Mensch ihn erkennt. Als ultimativen Gottesbeweis führt er einen grammatikalischen Gottesbeweis an, von dem er glaubt, dass dieser „nietzscheresistent“ ist:

„Das Futurum exactum, das zweite Futur, ist für uns denknotwendig mit dem Präsens verbunden. Von etwas sagen, es sei jetzt, ist gleichbedeutend damit zu sagen, es sei in Zukunft gewesen. In diesem Sinne ist jede Wahrheit ewig. Daß am Abend des 6. Dezember 2004 zahlreiche Menschen in der Hochschule für Philosophie in München zu einem Vortrag über Rationalität und Gottesglaube versammelt waren, das [ist] nicht nur an jenem Abend wahr, das ist immer wahr. Wenn wir heute hier sind, werden wir morgen hier gewesen sein. Das Gegenwärtige bleibt als Vergangenheit des künftig Gegenwärtigen immer wirklich. Aber von welcher Art ist diese Wirklichkeit? Man könnte sagen: In den Spuren, die sie durch ihre kausale Einwirkung hinterlässt. Aber diese Spuren werden schwächer und schwächer. Und Spuren sind sie nur, solange das, was sie hinterlassen hat, als es selbst erinnert wird.“ („Der Gottesbeweis“ In: Die Welt vom 25.03.2005)
 
Aber die Erinnerung hört irgendwann auf, so, wie irgendwann in ferner Zukunft wohl auch die Erde nicht mehr existieren wird. Zur Vergangenheit gehört aber immer eine Gegenwart deren Vergangenheit sie ist. Gibt es aber keine Gegenwart mehr, dann verschwindet mit ihr die Vergangenheit und das Futurum exactum verlöre seinen Sinn. Damit aber wäre es nicht mehr wahr, dass sich am 6. Dezember 2004 zahlreiche Menschen in der Hochschule für Philosophie in München versammelt haben, um einen Vortrag zu hören, was natürlich Unsinn wäre, denn dann hätte diese Veranstaltung ja nie stattgefunden und die von den Teilnehmern empfundene Realität wäre nicht wirklich. Dieser Widerspruch lässt sich nur auflösen, wenn man davon ausgeht, dass es ein absolutes Bewusstsein gibt, in dem alles geschieht, was aufgehoben ist und in dem die ewige Wahrheit ewig wahr ist. Das wäre dann zwangsläufig Gott.
Moderne Naturwissenschaftler, wie zum Beispiel Helmut Hansen in seinem Essay „Die Signatur Gottes - Ein moderner Gottesbeweis“ (erreichbar unter der Internet-Adresse: http://helmuthansen.bei.t-online.de/gott/), gehen davon aus, dass ihr Theorem die Möglichkeit beinhaltet, die Existenz Gottes empirischer Verifikation zugänglich machen zu können. An der Wahrnehmung dieser Möglichkeit, einen modernen Gottesbeweis führen zu können, sind nach heutiger Meinung aber sowohl Nikolaus von Kues selbst als auch Generationen von Theologen und Philosophen achtlos vorübergegangen. Zwar gilt seit Immanuel Kant, dass das Bemühen, die Existenz Gottes beweisen zu wollen, sich vorzugsweise an das Gebiet der erkennbaren Welt zu halten hat - oder dem, was man gemeinhin auch als das „Werk Gottes“ oder „Seine Schöpfung“ bezeichnet. Wenn jedoch Gott und die Welt als Schöpfer und Schöpfung im Einklang miteinander stehen sollen, dann muss die Welt notwendig eine ganz spezielle Struktur aufweisen. Diese innerweltliche Struktur muss mit den Gott traditionell zugeschriebenen außerweltlichen Bestimmungen verträglich sein. Zu den gleichsam klassischen Bestimmungen, die Gott traditionell zugeordnet werden, gehören jene typischen All-Bestimmungen, wie z.B. die der Allmächtigkeit, die der Allwissenheit, die der Allgütigkeit und die der Allgegenwärtigkeit. So schreibt Hansen in seinem im Internet veröffentlichten Essay aus dem Jahre 2002:
 
„Wenn Gottes Schöpfung oder modern: Das »physikalische Universum« auf die eine oder andere Weise der sichtbare Ausdruck eben dieser All-Bestimmungen sein soll, dann muß es eo ipso eine mit diesen All-Bestimmungen gleichermaßen konsistente und kohärente Struktur aufweisen.  Gelänge es diese gleichsam »göttliche« Struktur des Universums theoretisch hinlänglich zu präzisieren, dann bestünde, was wissenschaftlicher Denkweise entspricht, die Möglichkeit, auch überprüfen zu können, ob das von uns beobachtete reale Universum eine solche theoretisch/theologisch präzisierte Struktur empirisch zu erkennen gibt oder nicht. Auf diesem Wege könnte es dann möglich sein, zu jener natürlichen Gotteserkenntnis vorzudringen, die bislang immer nur ein Traum war - ein Traum, der sich auch nach fast zwei Jahrtausenden währender Denkanstrengungen nie hat einlösen lassen. Da die Gott traditionell zugeschriebenen All-Bestimmungen transzendenter Natur sind und als solche außerhalb der empirischen Welt angesiedelt sind, haben wir bislang, wie es scheint, noch keine klaren und verbindlichen Erkenntnisse darüber, ob und inwieweit diese All-Bestimmungen mit der sichtbaren, immanenten Welt in Beziehung stehen.“
 

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